Ein Märchen über Zusammenstehen
16. Mai 2022Ein Mann, sein Pferd und sein Hund wanderten eine Straße entlang. Als sie nahe an einem riesigen Baum vorbeikamen, erschlug ein Blitz alle drei. Doch der Mann bemerkte nicht, dass sie diese Welt bereits verlassen hatten, und wanderte mit seinen beiden Tieren weiter. Manchmal brauchen die Toten etwas Zeit, bis sie sich ihrer neuen Lage bewusst werden. Die Wanderung war sehr weit, führte hügelan, die Sonne brannte, und sie waren verschwitzt und durstig. An einer Wegbiegung sahen sie ein wunderschönes marmornes Tor, das zu einem mit Gold gepflasterten Platz führte, mit einem Brunnen in der Mitte, aus dem kristallklares Wasser floss. Der Wanderer wandte sich an den Mann, der das Tor bewachte. „Guten Tag.“ – „Guten Tag”, entgegnete der Wächter. „Ein wunderschöner Ort ist das hier, wie heißt er?” „Hier ist der Himmel.” „Wie gut, dass wir im Himmel angekommen sind, denn wir haben großen Durst.” „Sie können gern hereinkommen und so viel Wasser trinken, wie Sie wollen”, sagte der Wächter und wies auf den Brunnen. „ Mein Pferd und mein Hund haben auch Durst.” „Tut mir leid”, sagte der Wächter. „Tieren ist der Zutritt verboten.” Der Mann war enttäuscht, weil sein Durst groß war, aber er wollte nicht allein trinken. Er dankte dem Wächter und zog weiter. Nachdem sie lange bergauf gewandert waren, kamen sie an einen Ort mit einem alten Gatter, das auf einen mit Bäumen gesäumten Weg aus gestampfter Erde ging. Im Schatten eines der Bäume lag ein Mann, den Hut in die Stirn gerückt, und schien zu schlafen. „Guten Tag”, sagte der Wanderer. Der Mann nickte. „Wir haben großen Durst, mein Pferd, mein Hund und ich.” „Dort zwischen den Steinen ist eine Quelle”, sagte der Mann und wies auf die Stelle. „Ihr könnt nach Lust und Laune trinken.” Der Mann, das Pferd und der Hund gingen zur Quelle und stillten ihren Durst. Der Wanderer dankte. „Kommt wieder, wann ihr wollt”, antwortete der Mann. „Wie heißt übrigens dieser Ort?” „Himmel.” „Himmel? Aber der Wächter am Marmortor hat mir gesagt, dass dort der Himmel sei.”
MatAri